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Südtirol/Italien

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19. August 2024
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Interview: Schennas Weg zur GSTC-Zertifzierung

Wie sich Südtirol fit macht für (s)eine nachhaltige Zukunft

Foto (download): Bis Schenna das GSTC-Nachhaltigkeitslabel erhält, ist es noch ein langer Weg. Aber bereits 2025 will die Gemeinde oberhalb von Meran den Südtirol Standard erreichen – um auch für nachfolgende Generationen ein begehrlicher Lebens- und Urlaubsraum zu bleiben. © Tourismusverein Schenna/Dietmar Denger       

Basierend auf den internationalen Kriterien des Global Sustainable Tourism Council (GSTC) hat Südtirol Indikatoren definiert, die Nachhaltigkeit künftig messbar machen sollen. Unterteilt in drei Qualitätsstufen, repräsentiert jede Etappe die entsprechenden Fortschritte. Nach erfolgreicher Absolvierung dürfen Destinationen das Nachhaltigkeitslabel Südtirol führen. Am Beispiel des Tourismusvereins Schenna erklärt Geschäftsführer Stefan Kaserbacher, wie ein solcher Zertifizierungs-Prozess vonstattengeht, welche Hürden dabei zu nehmen sind und warum der Weg das Ziel ist. Das Dorf oberhalb von Meran plant das Erreichen des so genannten Südtirol Standard bereits für 2025. www.schenna.com/green
Foto (download): Stefan Kaserbacher arbeitet seit gut einem Jahr als Geschäftsführer des Tourismusverein Schenna und hat seitdem schon viel in der Südtiroler Gemeinde oberhalb von Meran bewegt. Das Thema Nachhaltigkeit ist ihm eine Herzensangelegenheit. © Tourismusverein Schenna

Um was für eine Nachhaltigkeitszertifizierung, die Schenna anstrebt, handelt es sich?
SK: Die weltweit agierende Global Sustainable Tourism Council legt maßgebliche Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung im Reisesektor für Branchenexpert:innen und Regierungen fest. Es gibt ja bekanntlich jede Menge solcher Organisationen. Die GSTC aber wird von den Vereinten Nationen, insbesondere von der Welttourismusorganisation (UNWTO) in allen Ländern der Erde anerkannt. Entsprechend viele Aspekte beinhaltet der internationale GSTC-Standard – es würde zu weit führen, diese einzeln aufzuzählen. Aber auf dessen Grundlage hat Südtirol messbare Parameter entwickelt. Denn um nachhaltiger zu werden, muss Nachhaltigkeit auch berechnet werden können.  
 
Was beinhaltet der Kriterienkatalog für Südtirol und damit auch für Schenna?
SK: Viele verstehen unter Nachhaltigkeit den ökologischen Aspekt. Doch es geht ja um viel mehr als reinen Umweltschutz, nämlich die soziale und wirtschaftliche Verantwortung. Tourismus kann und muss seinen Beitrag dazu leisten. Der Katalog baut im Wesentlichen auf vier Bereichen auf. Der erste regelt, wie man das Thema Nachhaltigkeit angehen, messen und managen kann. Der zweite durchleuchtet, welchen ökonomischen und sozialen Einfluss der Tourismus hat. Nummer drei umfasst die kulturellen Gesichtspunkte. Und an vierter Stelle stehen die ökologischen Auswirkungen.
 
Wie sieht das Timing aus?
SK: Der Tourismusverein Schenna strebt bis 2025 eine Zertifizierung als nachhaltige Destination gemäß dem Südtirol Standard an. In den kommenden zwölf bis 18 Monaten werden verschiedene Arbeitsgruppen das Thema gemeinsam mit Schennas Stakeholdern intensiv bearbeiten. Zunächst erfassen wir dafür Daten, holen Meinungen ein und stellen den aktuellen Stand fest.
 
Welche Kriterien erfüllt die Gemeinde schon, welche sind kurz-, mittel- und langfristig geplant?
SK: Wir hatten schon immer der Antrieb, Schenna „enkeltauglich“ weiterzuentwickeln, daher wurde bereits viel in diese Richtung unternommen: Trinkwasserbrunnen gehören ebenso zum Dorfbild wie die sparsame Tröpfchen-Bewässerung in unseren Apfelgärten. Und mit dem so genannten „Meraner Land Express“, die emissionsarme und kostengünstige An- und Abreise per Bus, setzt Schenna schon seit 1994 ganz eigene Nachhaltigkeitsstandards. Die Zertifizierung gibt uns nun ein Werkzeug in die Hand, diese auch zu erfassen und zu messen.
 
Wird die Nachhaltigkeitszertifizierung nicht alles auf den Kopf stellen?
SK: Nein. Schenna hat bereits einige nachhaltige Initiativen wie etwa das Projekt "SCHENNA.WEITER.DENKEN" gestartet. Die Zertifizierung bedeutet ja nicht, alles radikal zu verändern. Schenna soll sich lediglich kontinuierlich verbessern, sprich: auch in Zukunft ein Ort sein, wo Einheimische gern leben und Gäste gern Urlaub machen. Das klingt im ersten Moment simpel, ist aber hochkomplex. Da spielen Themen wie Mobilität, ökonomische und soziale, aber eben auch ökologische Faktoren eine Rolle. Basis hierfür sind unsere Befragungen. Denn nur wenn wir wirklich wissen, was Einheimische und Gäste sich wünschen, können wir auch darauf eingehen.

Mit welchen Schwierigkeiten rechnen Sie bei der Umsetzung?
SK: Veränderungen sind nie einfach. Den einen gehen sie zu langsam, den anderen zu schnell. Die einen möchten alles auf den Kopf stellen, die anderen zweifeln an der Sinnhaftigkeit des Prozesses. Mit diesen Herausforderungen müssen alle Destinationen umgehen. Die Kunst ist, den goldenen Mittelweg zu finden, um so viele wie möglich zu überzeugen. Aber auch wenn heute noch nicht alle Stakeholder voll hinter dem Projekt stehen, muss das nicht zwangsläufig schlecht sein. Sondern es gilt, auch andere Ansichten zu respektieren und in die Diskussion mit einzubringen.
Foto (download): Für das Nachhaltigkeitslabel nach Südtirol Standard gibt es insgesamt drei Zertifizierungsstufen. Nur das höchste Level wird auch vom Global Sustainable Tourism Council (GSTC) anerkannt und beinhaltet nachhaltiges Management sowie sozioökonomische, kulturelle und ökologische Nachhaltigkeit. © IDM Südtirol/Tobias Kaser
 
Bedeutet das, dass es eine Kompromisslösung geben wird?
SK: So würde ich es nicht ausdrücken. Am Ende wollen wir einfach den bestmöglichen Weg für alle Beteiligten finden. Dabei ist es auf jeden Fall sinnvoller, das Ziel mit vielen kleinen Schritten zu erreichen, als durch schnelle und große Sprünge den Rückhalt innerhalb der Gemeinde zu verlieren. Ganz sicher wird so die Zustimmung seitens der Betriebe auf lange Frist gesehen breiter und nachhaltiger sein.
 
Macht sich das ganze Land auf oder nur Schenna?
SK: Ich denke, das betrifft nicht nur Südtirol, sondern jede zukunftsorientierte Destination muss sich jetzt damit beschäftigen. Ob man hierfür zwingend ein Label braucht oder nicht, ist eine andere Diskussion. Für uns geht es vor allem um den Weg zum Ziel und weniger um die Zertifizierung selbst. Wenn wir diese erhalten, freuen wir uns riesig. Wichtiger für uns aber ist der Prozess.
 
Und wie geht das dann vonstatten? Wer kommt zur Überprüfung und wann?
SK: Die erste Zertifizierung erfolgt durch die Firma Green Destinations und ist für 2025 geplant. Alle drei Jahre gibt es eine Re-Zertifizierung, um die Fortschritte zu überprüfen. Die Zertifizierung von 2025 markiert also nicht das Ende, sondern erst den Anfang des Prozesses.
 
Wie weit ist die Südtiroler Konkurrenz? Gibt es schon einen Pilot-Ort oder eine Pilot-Region?
SK: Einige Destinationen in Südtirol sind bereits zertifiziert. Die meisten aber stecken aktuell mitten in der Entwicklung. Dabei sehe ich unsere Kollegen aber nicht als Konkurrenz an, im Gegenteil. Je mehr sich hierzulande auf den Weg machen, umso breiter wird der Rückhalt in der Bevölkerung. Schenna hat den großen Vorteil, dass die Tourismusgesinnung stimmt. Damit das auch so bleibt, gehen wir diesen Weg.
 
Und was hat der Endverbraucher, also Ihr Gast, davon?
SK: Nachhaltiger Tourismus zielt darauf ab, Umweltschäden zu minimieren, positive Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft zu erzielen sowie das kulturelle Erbe zu schützen und zu fördern. Im Kern aber geht es vor allem darum, dass wir und unsere Nachkommen gern und gut in Schenna leben können. Dies betrifft direkt wie indirekt auch immer den Gast. Denn in einem positiven Tourismusumfeld fühlt er sich im besten Fall als „Einheimischer auf Zeit“.
  

Interview: Jessica Thalhammer/ahm          

Weiterführende Links und Infos
www.idm-suedtirol.com/de/unsere-leistungen/nachhaltigkeit
www.idm-suedtirol.com/de/unsere-leistungen/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitslabel-suedtirol
www.gemeinde.schenna.bz.it/de/Themen/Wir_in_Schenna
www.suedtirol.info/de/de/information/nachhaltiges-suedtirol
nachhaltigkeit.provinz.bz.it/de/home

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